Manchmal frage ich mich, ob Mütter jemals wirklich gesehen werden. Wieviel sie eigentlich stemmen müssen. Wieviel ihr Kopf arbeiten muss. Ganz abgesehen von den körperlichen Höchstleistungen, die wir schon am frühen Morgen vollbringen, wenn unser liebstes Mausilein sich auf den Boden schmeisst und nicht die blauen sondern die roten Schuhen zur Einhornjacke anziehen möchte. Irgendwann scheint dies dann Morgens egal zu sein. Nur das man dann als Mama es falsch macht die Jacke von rechts aufzieht, statt von Links. Blöde Mama!
Ich war früher jemand, der schnell sein Urteil über eine Erziehung zog. Für mich war es ganz einfach, für 2 Stunden ein Kind in die Schranken zu weisen. Danach ging ich mit Handkuss und knuddeliger Umarmung und hatte meine Aufgabe als Tante, Bekannte oder Freundin getan. Ich fragte mich immer, was daran denn schwer sei, ein bockiges Kind mal eben abzulenken. Mal konsequent "das Ding" durchziehen. Man müsse einfach nur mal ordentlich den richtigen Ton an den Tag bringen und dann klappt die Sache. Tja...
Jeden Morgen dasselbe Spiel. Meine fast 3 jährige Tochter ist in einer Phase angekommen in der sich selbstbestimmend, aber auch hilflos die Socken anziehen möchte. Jeden Morgen überlege ich mir, wie ich es am Besten anstelle, sie für den Kindergarten fertig zu machen, ohne ein wütendes Kind vor mir zu haben. Die Gedanken "versagt" zu haben sind allgegenwärtig. Kurz nen Artikel im Internet gelesen, dass es in diesem Alter völlig normal sei und meine Schuldgedanken sind wieder weg. Keine zwei Minuten später, während meine Tochter wütend gegen den Schrank trommelt, frage ich mich, ob ich vielleicht die Ausnahme bin, dass meine Tochter ja eigentlich ganz lieb wäre und ich das eigentliche Problem bin.
Ich zische ein "Jetzt ist aber Schluss!!!!", bevor ich ihr die Mütze auf den Kopf ziehe. Wütend zieht meine Tochter die Mütze wieder ab und ich fahre im selben Moment in die "Mach-doch-was-du-willst" Einstellung. Schlussendlich schaffe ich es schwitzend meine Mausi angezogen zumindest vor die Haustüre zu bringen, da gehts wieder los. Nach 45 Minuten schaffen wir es endlich in Richtung Kindergarten zu laufen und ich bin schon Morgens, um halb acht, verschwitzt.
Während Mausi im Kindergarten ist, kommen mir alle möglichen Gedanken. Warum erzählen Mütter so etwas nicht? Warum hörst du nie diese Seite als Elternteil? Man hört immer nur die "harmlose Variante" eines bockenden Kindes. Selten hört man die ganz harten "Trotzfälle".
Meine Tochter ist mit Sicherheit kein Einzelfall und zudem noch völlig harmlos in dieser Trotzphase. Also kein Härtefall 😏 Dennoch bleibt dieses Gefühl etwas nicht richtig zu machen. Dieses Gefühl, nicht genug ausgebildet, um Mama zu sein.
Plötzlich merke ich, wie ich verachtend werde, gegenüber den Müttern, die nie die Wahrheit erzählt haben. Immer hinterher erzählen "genau SO war es auch bei mir" und "... jetzt siehst mal wie es bei mir war!" Und mein Lieblingssatz von allen: "Also bei UNS war es nicht so..." Okay, es bringt mir halt wenig, wenn ich erst hinterher versuche was zu reparieren, als wenn mir schon vorher jemand gesagt hätte:
Achtung, in der Trotzphase wird dein Kind vermutlich Dinge tun, in denen du fix und fertig sein wirst. Nichts wird helfen. Weder schreien, noch schimpfen, noch lieb reden, aber versuche Ruhe zu bewahren und deine Tagesroutine weiter normal zu bestreiten.
Das sind Aussagen, die mich ins Boot geholt hätten. Die mich hätten wissen lassen, nicht schon alles verkackt zu haben. Die mich wissen lassen, dass ich mir nicht jeden Tag den Kopf zerbrechen muss, wie ich es besser machen könnte. Schlussendlich müssen wir aber alle durch. Schlussendlich wird keiner dir wirklich die Wahrheit erzählen. Es wird dir keiner erzählen, dass das Ipad wohl eine gute Ablenkung ist, um den Stresspegel runterzufahren. Die Wenigsten würden dies zugeben.
Ich bin trotzdem stolz auf mein Kind. Und auf mich. Wir machen das schon gut zusammen. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass die ein oder andere Schwierigkeit, in den harmlosesten Alltagssituationen auftaucht. Also ganz anders als das, worüber ich mir den Kopf zerbrochen habe. Und seien wir mal ehrlich. Wir machen alle das Gleiche durch und trotzdem geht jeder anders damit um. Vielleicht sollten wir Mütter doch irgendwie mehr zusammenrücken und uns stützen. Aber nicht in Form von "bei meinem Kind war das GANZ anders..." sondern eher "komm, lass uns nen' Kaffee zusammen trinken...".