Der psychische Druck von Dicken



Die folgenen Zeilen dienen nicht dazu mir einen Ratschlag von Aussenstehenden zu holen. Auch nicht um mir sagen zu lassen, was besser gewesen wäre. Sondern um meine Erfahrung zu erzählen. Was ich in einer kurzen Zeit meines Lebens erlebt habe und wie ich damit umgegangen bin. Und ebenso auch von euch eure Erfahrung zu hören und erzählt zu bekommen. Gerne sogar :)
Ratschläge und Tipps braucht kein Mensch beim Abnehmen, wenn er nicht selbst danach bittet. Denn Abnehmen bedeutet nicht, sich psychischen Druck auszusetzen, indem man Regeln befolgt, die andere aufgestellt haben. Sondern mit und an seinem Körper zu arbeiten. Finde ich zumindest!

Ich habe jahrelang, wenn nicht sogar mein ganzes Leben lang verzichtet. Es fing in der Kindheit an, mit weniger von dem und dem. Apfel anstatt Abendbrot. Mit Hunger ins Bett. Gedanken, die sich nur darum drehten "ich bin dick, also bin ich nicht richtig und nicht normal". Wenn man sein ganzes Leben sich damit beschäftigen MUSS, kann man sich irgendwann erlauben auch zu sagen, dass man Ahnung hat vom "Dick sein" und in gewisser Weise auch Ahnung von Ernährung! Denn die meisten dicken Menschen wissen ganz genau, was falsch läuft! Und sie wissen auch ganz genau, wie sie das ändern könnten. Allerdings spielt der psychische Aspekt eine sehr wichtige Rolle. 
Denn "dick sein" hat für mich nicht immer was mit NUR unkontrolliertem Essen zu tun, sondern ich glaube, dass die Ursache oftmals im psychischen Bereich liegt. Ich glaube, daher kommt auch der Spruch "Es muss im Kopf klick machen". So auch bei mir ..


Eine Erfahrung von vielen, die ich machte, ist noch garnicht so lange her:
Ich kaufte mir immer Shirts und Hosen, die mir etwas enger saßen, weil ich mich unbewusst nie damit abfinden wollte, eine Größe größer zu brauchen. Ich fühlte mich nur dann wohl wenn alles straff und eng sass. Das konnte es ja auch! Denn Schlapperklamotten wollte ich nie anziehen! Weite "Zelte" waren noch nie was für mich. Auch heute nicht. Aber es ist ein Unterschied ob ich enge Klamotten anziehe, indem ich eine Größe kleiner nehme und mich damit selber bescheiße, oder ob ich enge Klamotten anziehe, die in meiner Größe bewusst eng geschnitten sind und was hermachen.

Nun, eigentlich beschiss ich mich die ganze Zeit selbst. Es ging mir nicht darum was andere gesehen haben. Es ging mir darum was ICH gesehen habe!

In den letzten Monaten quälte ich mich fürchterlich um abzunehmen! Ich hasste die Blicke, hasste mich selbst. Ich nahm ab - 15 Kilo. Umso mehr ich abnahm umso schwerer trafen mich die Blicke, aber auch die Aussagen. Denn es war offensichtlich!

"Na? Warst wieder laufen?", "Oh, also man sieht's extrem an den Beinen, aber der Bauch ist immernoch da" oder "Na? Wieviel hast du schon abgenommen?"

Es drehte sich Tag ein Tag aus nur noch darum, ob ich es schaffe, ob ich DIESMAL konsequent bin, ob ich alles richtig mache. Dazu noch Ratschläge von Menschen, die rein garnichts mit mir zu tun haben, nur gesehen haben, dass ich abgenommen habe und daraus ihr Urteil bildeten, die Patricia nimmt gerade ab, also geben wir ihr noch einen Ratschlag mit auf den Weg.
Um ehrlich zu sein, es war der pure Stress für mich! Ein unheimlicher Druck lastete auf mir. Mich nicht zu enttäuschen und andere nicht zu enttäuschen. Nicht zu versagen. Nicht den anderen ihr "Futter" zu geben, indem sie mir dann später erzählen, WARUM ich es nicht geschafft habe und was ich falsch gemacht hätte. 

Klar hatte ich Höhenflüge! War stolz und postete auf Instagram. Manche sagten, es sei zu wenig was ich esse. Mir langte es aber! Nicht weil ich keinen Hunger hatte, sondern weil ich am Abend so fertig war, dass ich nicht mal mehr schaffte, eine Gabel zu halten! Ich wollte nur noch schlafen! 
Und da war auch schon das nächste Problem ..

Ich stehe um 3:50 Uhr Morgens auf. Manchmal um 4 Uhr. Dann beginnt schon ein körperlich harter Job. Dann habe ich eine Stunde Zeit und renne zum nächsten Job. Mittags gehts in den Wald laufen. Ob ich körperlich kann oder nicht. 1-2 Stunden! Nachmittags, wenn nicht schon Abends, bin ich fix und alle. Freizeit hatte ich dann nicht mehr. Weil alles für mich Arbeit bedeutete. Hobbys konnte ich nicht mehr ausführen, ich hatte die Kraft nicht mehr dazu.
Das Problem daran ist nicht die Arbeit! Das Problem ist, dass ich Abends, besonders im Sommer schlecht um 20 Uhr schlafen kann, um meine 8 Stunden Schlaf zu bekommen. Somit fehlen mir ein paar Stunden und mich macht das fix und alle den Tag über!
Ich fand es nervig wenn andere später aufstehen konnten. 8 Uhr, 9 Uhr .. manche konnten mal bis um 10 Uhr schlafen. Es gab genug von denen, die ich kannte, auch hier im Internet. Manche mussten sich geistig auspowern, körperlich hatten sie noch alle Reserven und trällerten fröhlich 2-3 Stunden Sport gemacht zu haben. Super ist das und ich fand es toll das sie es konnten! Ich nahm mir oft ein Beispiel daran. Ich aber packte es rein körperlich einfach nicht! Und mich ärgerte das! Obwohl es verständlich ist, dass ich mit 2 Jobs + mittlerweile dritten kleinen Job, nicht möglich ist Tag um Tag 3 Stunden Sport zu treiben. Für mich nicht!
Das alles setzte mich zusätzlich unter Druck! Für mich selber. Nicht diszipliniert genug zu sein, wie andere. Ich sah den Unterschied aber nicht! Das nicht jedes Sportprogramm auf jeden Menschen passt. Den Unterschied merkte ich meist, wenn ich Urlaub oder ein langes Wochenende hatte. Ich hatte Energie. Ich war fit, ausgeschlafen und packte 2 Stunden Sport. Konnte mich anpassen ..

Dann kam der große Knall und es ging garnichts mehr. Ich sass wie ein Häufchen Elend da und heulte. Tagelang. Bitterlich. Mein Körper war ausgelaugt. Mein Geist fit. Meine Psyche am Ende. Ich hatte furchtbare Schlafprobleme, die sich Woche um Woche hinzogen. Mein Körper war fix und alle, aber mein Kopf konnte immernoch. Meine Psyche war angeknackst. Meine Haut verschlechterte sich stark. Mein Körper streikte fürchterlich. Während mein Geist auf Hochtouren arbeitete. 
Es gab keinen Einklang mehr zwischen Kopf und Körper und ich verkroch mich immer mehr!

Irgendwann machte ich mir Gedanken. Was bedeutet es abzunehmen? Was für ein Ziel steuere ich damit an? Was ist in 10 Jahren? All das schockte mich! Dick bleiben will ich nicht! Meine Gesundheit ist wichtig! Aber mein Leben lang, diesen psychischen Druck aushalten, kann ich einfach nicht! 
Es ging viel um den Verzicht und irgendwo ist der beim Abnehmen auch immer etwas da. Auch wenn ich finde, dass sich viele selber bescheißen, indem sie sagen, sie müssten auf nichts verzichten. Das ist aber so nicht ganz richtig. Im Prinzip verzichtet man ja doch immer auf irgendwas. Oder sieht man genau die Personen mit nem Schälchen Pommes dasitzen? Auch wenn es nur einmal im Monat ist? Ne Pizza auf Lowcarb getrimmt ist für mich kein "Cheatday". Das ist der nächste Beschiss an dem Ganzen! 

Ich habe mir so so viele Gedanken dazu gemacht und meine ganz persönliche eigene Entscheidung gefällt und meine eigene Meinung, für mich, dazu gebildet!
Abnehmen heisst für mich nicht Low Carb, FDH, Schlank im Schlaf, Eiweiße gut - Kohlenhydrate böse usw. Abnehmen bedeutet für mich, seinen Körper erstmal zu akzeptieren wie er ist, ihn zu mögen in voller Pracht und dann mit ihm zusammen zu arbeiten, um abzunehmen. Und zwar so, dass man seine Lebensfreude, seine Energie und das Schöne im Leben nicht ausschließt und vernachlässigt! Sondern dass man sein Leben geniesst, die Ernährung gesund aber mit Genuss gestaltet! Und zwar nicht für ein paar Monate, um im Sommer mal ins Schwimmbad zu können. Nicht um auf einem Fest mal gut auszusehen. Nicht um in das Kleid zu passen. Sondern auf lange Sicht so, dass sich die Gedanken nicht Tag ein Tag aus um dieses Thema drehen! Denn dafür ist das Leben zu kurz, dass man sich selber psychischen Druck macht, um paar Kilos zu verlieren.
Ich denke das man sich so ernähren muss, um in 10 Jahren immernoch genau so essen zu können, dass man das Essen nicht mit Abnehmen verbindet, sondern in erster Linie mit Genuss, mit Spass und einer Art von Lebenseinstellung, sich gesund zu ernähren!

"Ich habe mir nach vielen Jahren wieder Pommes gegönnt. Und es war eine psychische Explosion in meinem Kopf. Ich kannte nicht mal mehr den Geschmack von Pommes. Es war ein tolles Gefühl mir das erlaubt zu haben. Loszulassen vom Druck etwas gerecht zu werden, sich selber gerecht zu werden - ganz ohne schlechtes Gewissen das man was "Böses" gemacht hat."

Ich denke man muss sich das alles erstmal bewusst machen um dann wirklich für sich etwas zu ändern. Es hat nichts damit zu tun, es nicht erzählen zu können, dass man abnehmen möchte. Sondern man muss bei sich bleiben! Sich als wichtigste Person sehen und nur für sich zu arbeiten. An sich zu arbeiten. Ich glaube, dann klappt es!

Ich persönlich bin dran an mir zu arbeiten. Momentan arbeite ich arg an mir, mich zu akzeptieren, Schwächen zuzulassen, meinen Körper anzunehmen und die wichtigste Sache - mein Leben zu lieben und zu genießen. Und das tue ich momentan und mir geht es psychisch sehr gut damit! :)


Wie ist eure Erfahrung?
Wie geht es euch damit?

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